Beitragsbild: Brigitta Jahn
Nachdem Bassist Thomas Wenzel und Schlagzeuger Christoph Leich vor zwei Jahren Die Sterne verlassen haben, blieb Frontmann Frank Spilker allein zurück. Doch es gesellten sich neue Weggefährten hinzu. Ende Februar erschien das zwölfte Studioalbum mit dem schlichten Titel »Die Sterne«. Die Sterne sind im Jahr 2020 keine feste Band mehr, sondern vielmehr eine Kollaboration mit anderen Musikern. Das Album ist entstanden mit Jan Philipp Janzen und Phillip Tielsch der Kölner Band Von Spar, die die neue Rhythmusgruppe bilden. Auch Keyboard-Wizzard Carsten Meyer war dabei, sowie die Düsseldorf Düsterboys und das Kaiser Quartett. Wir sprachen mit Frank Spilker über das neue Sterne-Album.
Mit Thomas Wenzel und Christoph Leich haben zwei Gründungsmitglieder die Band verlassen. Du bist jetzt der letzte, der noch da ist. Wie ist es dazu gekommen?
Das war ein schleichender Prozess. Wir haben das Ganze seit einigen Jahren nur noch mit halber Kraft gemacht. Dass man mit so einer demotivierten Grundstimmung nicht wirklich erfolgreich ist, haben wir dann 2014 mit dem letzten Album »Flucht in die Flucht« gesehen, das nur noch mit Ach und Krach zustande kam. Danach haben wir noch unsere Vergangenheit gefeiert, sind auch noch zusammen auf Tour gegangen, das hat alles wunderbar geklappt. Menschlich haben wir uns auch noch verstanden, aber die kreative Arbeit war an einem Ende angekommen. Wir haben keine neuen Stücke mehr zustande bekommen. Und dann stellte sich die Frage: Weitermachen oder nicht weitermachen.
Warum machst du trotzdem als Die Sterne weiter?
Wir hatten uns schon bei der Gründung der Band im Jahr 1992 darauf geeinigt, dass wenn das passieren sollte, ich den Namen Die Sterne weiter verwenden kann, weil ich ihn ja eingebracht habe in die Ehe. Es gab vorher schon eine andere Besetzung mit dem Namen Die Sterne. Insofern war das letztlich dann jetzt meine Entscheidung. Mit der Entscheidung das weiter Die Sterne zu nennen, ist die Aussage verbunden, dass das Konzept das alte ist und ich auch die alten Stücke noch spiele. Und der Albumtitel »Die Sterne« verstärkt das noch. Das ist ein Statement über das Konzept, das weiterlebt.
Auf dem Plattencover und auf Fotos inszenierst du dich mit einer Maskerade. Was hat es damit auf sich?
Die Maskerade kommt aus der Idee heraus, eine Kunstperson zu entwerfen, die Die Sterne repräsentiert, ohne dass da eine Band ist. Der Gedanke dabei ist, dass man nicht genau weiß: Wer ist die Band? Wer verbirgt sich jetzt hinter Die Sterne? Und dafür war diese Maskerade einfach ideal.
Die Sterne sind ja jetzt eher ein Kollektiv als eine Band. Du hast im Studio u.a. mit Jan Philipp Janzen und Phillip Tielsch von Von Spar, den Düsseldorf Düsterboys, dem Kaiser Quartett und auch Carsten Meyer zusammengearbeitet. Wie hast du die Besetzung zusammengestellt?
Ich habe vor zwei Jahren beim WDR in Köln eine Hörspiel-Produktion gemacht und habe in diesem Zusammenhang bereits mit Jan Philipp Janzen und Phillip Tielsch von Von Spar zusammengearbeitet. In der ganzen Zeit, in der keine neuen Sterne-Stücke entstanden sind, hatte ich schon sehr viele Entwürfe gehabt. Diese wollte ich eigentlich irgendwann mit den Sternen umsetzen. Als klar war, dass es in der Konstellation nicht passieren wird, bin ich mit diesen ganzen Entwürfen nach Köln ins Dumbo-Studio gefahren. Jan Philipp Janzen und Phillip Tielsch haben dort ganz entscheidend an dem neuen Sterne-Album mitgewirkt. Zusammen mit Dyan Valdes, die schon lange Live-Keyboarderin bei den Sternen ist, war das im Studio die Kernband. Alle anderen Musiker, die auf dem Album versammelt sind, sind eher Gastmusiker, die wirklich nur kurz was eingespielt haben.
Das Kernthema der Platte lässt sich unter dem Begriff »Freiheit« zusammenfassen. Hattest du vorher dieses Thema als Konzept für die Platte?
Dass es dieses Thema überhaupt gibt, um das sich die Gedanken drehen, ist wirklich was, das mir von außen nahe gebracht werden musste. Nämlich als Eric Pfeil das Info zum Album geschrieben und gesehen hat: Guck‘ mal, das ist doch quasi der rote Faden oder der Bogen, den du da spannst. Das ist auch kein Versuch Freiheit zu definieren als was ist das. Sondern vielleicht eher die Schnittstellen zwischen persönlicher Freiheit, der Freiheit der Anderen und die Konflikte, die entstehen. Wann muss ich mich einer Moral von außen unterwerfen, wann ist es wichtiger die eigene Überlegung über die Moral von außen zu stellen. Das sind Konflikte, die jeder Mensch hat, glaube ich.
Ein zentraler Song auf dem Album, der das Thema »Freiheit« am deutlichsten widerspiegelt, ist die siebenminütige Disco-Exkursion »Du musst gar nichts«, die die Befreiung von allen Zwängen zelebriert.
Das Stück feiert ja eine Illusion. Man redet sich ein, dass es überhaupt keine Zwänge gibt. Man weiß aber, dass es eine Lüge ist, denn es ist nicht möglich, nicht zu atmen oder nicht zu essen. Gleichzeitig möchte man aber das Gefühl feiern, nichts zu müssen. Dieses Gefühl, das man sucht und das man auch braucht als Entlastung und als Perspektive. Vor allen Dingen auch als Hebel und Waffe gegen den Druck von außen zur Selbstoptimierung, der einem ständig entgegengebracht wird. Also diese Möglichkeit einfach mal alles auszublenden und »Nein« zu sagen.
Mit »Die Message« und »Das Elend kommt (nicht)« sind auch Die Sterne einige politische Songs dabei. War es dir wichtig, den Standpunkt zur gegenwärtigen politischen Situation deutlich zu machen?
Das ist so kein Plan gewesen. Ich geh‘ immer einfach in die Konflikte, die mich zur Zeit interessieren. So Stücke wie »Die Message« oder »Das Elend kommt (nicht)« hätte ich vielleicht nicht geschrieben, wenn sich das nicht so aufdrängen würde. Ich würde ja auch gar nicht sagen, dass meine Songs politisch sind. Aber sie sind eben auch nicht unpolitisch, weil ich ein Mensch bin, der in einer Demokratie lebt und deswegen ein politisches Bewusstsein mit einer gewissen Selbstverständlichkeit nach außen trägt.
Du klingst dabei weder zornig noch kommst du mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern eher lässig. Woher kommt das?
Ich nehme das mal als Kompliment. Es hat ein bisschen mit der britischen Popmusik zu tun, mit der ich groß geworden bin. In meinen jungen Jahren, mit fünfzehn oder so, habe ich schon BFBS gehört und zu der Zeit war der Thatcherimus am Start und jeder Popsong hatte irgendwie eine Bemerkung dazu auf Lager. Aber ohne diesen moralischen Zeigefinger, den deutsche Liedermacher wie Heinz Rudolf Kunze und Herbert Grönemeyer immer so haben. Die dann immer die Probleme thematisieren mit der Haltung eines Lehrers, der sich hinstellt und den Leuten die richtige Moral beibringen will. Und ganz anders ist da eben der Umgang in der britischen Popmusik mit politischen Songs.
Wie sieht die Zukunft von Die Sterne aus? Weiterhin als Kollektiv oder doch wieder eine feste Band?
Ich weiß nicht genau, was passieren wird und ich glaube meine Mitmusiker auch nicht, wenn du sie fragen würdest. Im Grunde ist das ja eine Frage des Auftretens. Ich fand jetzt nach so langer Zeit mit komplett neuen Leuten Bandfotos zu machen und zu sagen: Das sind jetzt Die Sterne unverschämter als umgekehrt zu sagen: Wir sind erst mal nur so ein loser Haufen. Ab wann man das dann nach außen auch so kommuniziert, ist so ein bisschen Feingefühl, finde ich. Das vielleicht auch erst mal zu einem sicheren Fakt werden zu lassen, bevor man das macht.